Haushaltsrede der SPD – Fraktion im Rat der Gemeinde Herscheid zum Haushalt 2023 am 27.02.2023
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren,
noch nie stand ein Haushalt unter so negativen Vorzeichen. Zur Corona Pandemie seit März 2020, den Folgen der Hochwasserkatastrophe seit Juli 2021, den Auswirkungen der Sperrung der Rahmedetalbrücke auf der A45 seit Dezember 2021 kam am 24. Februar 2022 noch der völkerrechtswidrige Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Dieser löste eine beispiellose Erhöhung der Energiepreise, eine dramatische Steigerung der Inflation sowie stark steigende Zinsen aus. Die Bürgerinnen und Bürger sowie unsere Unternehmen wurden in bisher nicht bekannter Weise belastet, was für viele durchaus existenzbedrohend werden könnte.
Etwa 1 Mio. Ukrainer suchten bisher bei uns in Deutschland Schutz vor barbarisch einfallenden Russen unter der Führung eines von allen guten Geistern Verlassenen. Eine Plünderung unserer Sozialkassen – wie es ein auch im Karneval humorloser Flugzwerg vermutete – war mit Sicherheit nicht der Beweggrund. Es sind in der Hauptsache Frauen mit ihren Kindern, die ihre Männer in einem dreckigen Krieg alleine lassen müssen und nicht nur unser Mitleid, sondern vor allem unsere Hilfe benötigen. Und diese Hilfsbereitschaft war und ist in der Herscheider Bevölkerung noch immer groß.
Unter diesen Bedingungen, zu denen sich die Folgen der Erderwärmung gesellen, ist es wahrlich nicht einfach, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren. Dazu erst einmal herzlichen Dank an die Kämmererin und den Bürgermeister. Allerdings gelang das nur mit Hilfe des neuen Ukraine-Isolierungsgesetzes und – wie schon in den beiden letzten Jahren – durch das NKF-COVID—19-Isolierungsgesetz. Die dadurch generierten außerordentlichen Erträge bedeuten aber nichts anderes als eine Verschiebung von Schulden in die Zukunft. Da der Kreis diese Bilanzierungshilfen auch nutzt, wird ab 2026 die Kreisumlage auch deutlich steigen.
Die Sanierung der Gemeinschaftshalle sollte eigentlich mit einer 100 % Landesförderung für uns kostenneutral erfolgen. Leider entstand durch Lieferengpässe und steigende Materialkosten eine Finanzierungslücke in Höhe von etwa einer halben Mio. Euro. Bis zu höchstens dieser Summe stellt die Gemeinde dem Schützenverein einen günstigen Kommunalkredit zur Verfügung. Der Schützenverein zahlt 200.000 € ab 2024 in 15 Raten zurück, den Rest plus Verzinsung übernimmt die Gemeinde. Diese hofft, dass die Ausschreibungsergebnisse sich mittlerweile wieder normalisieren und damit der Kreditrahmen nicht in Gänze ausgeschöpft werden muss. Die SPD – Fraktion war sich von Anfang an einig, dass man hier den Schützenverein nicht im Regen stehen lassen darf. Die Vereinsmitglieder haben in aufopferungsvoller Eigenleistung viele Vorarbeiten durchgeführt und wollen dies zur Deckelung der Kosten auch weitertun. An den zusätzlich entstandenen Kosten tragen sie keine Schuld, allerdings die Gemeinde auch nicht. Leider sah sich das Land als Fördergeber nicht in der Lage, die unverschuldeten Zusatzkosten in irgendeiner Weise zu kompensieren.
Auch beim Neubau des Räriner Feuerwehrgerätehauses sprengten die allgemeinen Preissteigerungen den ursprünglichen Kostenrahmen um einige hunderttausend Euro und den Herstellungszeitraum mindestens um ein halbes Jahr. Die für den letzten Herbst vorgesehene Einweihung wurde erstmal auf dieses Frühjahr verschoben.
Der Brandschutzbedarfsplan sieht ebenfalls die Ertüchtigung des Feuerwehrgerätehauses Herscheid vor. Es ist richtig, für die Planungen schon einmal eine halbe Mio. Euro in diesen Haushalt einzustellen. Da mit einer weiteren Förderung nicht zu rechnen ist, müssen wir für die nächsten Jahre einzelne Bauabschnitte bilden, um die Gesamtkosten auf mehrere Haushaltsjahre zu verteilen. Wir hoffen, dass die Planer mit den Mitgliedern des extra dafür gegründeten Arbeitskreises Feuerwehrgerätehaus brauchbare Vorschläge erarbeiten können, die sowohl den feuerwehrtechnischen Bedürfnissen als auch den finanziellen Möglichkeiten entsprechen.
Seit anderthalb Jahren findet der Unterricht für unsere Grundschüler im neuen Bildungszentrum „Am Rahlenberg“ statt. Eltern, Lehrkräfte und Kinder haben – soweit wir das beurteilen können – die neuen Räumlichkeiten gut angenommen und fühlen sich dort wohl. Gleiches berichten auch die Kursleiter und die Verantwortlichen der VHS. In zwei Klassenräumen im Anbau an den alten Grundschulteil unterrichtet seit dem 1. Februar das Studieninstitut Hagen Verwaltungsfachangestellte in der Aus- bzw. Weiterbildung. Die Nutzungsmöglichkeiten der multifunktionalen Aula, der geplante Umzug der Gemeindebücherei in ehemalige Verwaltungsräume und eine evt. Nutzung alter Klassenräume durch eine Musikschule runden das Bildungszentrum im wahrsten Sinne des Wortes ab.
Die Fördermittel für den dritten Bauabschnitt, den Rückbau des älteren Teils der alten Grundschule sowie die Gestaltung des Außengeländes, wurden mittlerweile bewilligt. Dort sollen der Pausenhof der Grundschule erweitert werden, ein öffentliches Spielgelände den benachbarten Spielplatz an der Bergstraße ersetzen und strukturierte Parkflächen entstehen. Das beauftragte Planungsbüro hat dazu akzeptable Umsetzungsvorschläge erarbeitet, die aber zu teuer sind. Die SPD – Fraktion kann sich mit dem Vorschlag des Bürgermeisters anfreunden, zunächst auf die Schaffung der verschiedenen Parkflächen zu verzichten, wenn dann die Finanzierung der anderen Gestaltungsvorschläge gesichert ist.
Unser Kulturbeauftragter Frank Holthaus hat trotz bescheidener Haushaltsmittel ein sehr interessantes Kulturprogramm angekündigt. Leider findet die Rammberghalle kaum noch bis gar keine Berücksichtigung mehr als Veranstaltungsort. Wegen der technischen Ausstattung und den räumlichen Voraussetzungen sind andere Örtlichkeiten wesentlich attraktiver. Daher sollten wir nichts unversucht lassen, um mit anderen „Events“ der Rammberghalle unter die Arme zu greifen.
Der Etat zur Straßenerneuerung im Innen- und Außenbereich ist schon seit vielen Jahren nicht mehr erhöht worden. Die Qualität unseres Straßennetzes hat aber in den letzten Jahren auch durch zusätzliche Belastungen wie Transport des Borkenkäferholzes, Kanalsanierungen, Bau der neuen Hochspannungsleitungen oder Glasfaserausbau stark gelitten. Die Zusammenarbeit mit den für diese Aufgabenbereiche Verantwortlichen muss unbedingt verbessert werden. Sanierte Straßen sollten nicht innerhalb kürzester Zeit durch andere Maßnahmen wieder aufgerissen werden müssen. Der Bürgermeister hält Sonderprogramme zur Straßensanierung für realistisch, wenn sich der Haushalt gut entwickelt. Diese zusätzlichen Gelder würden dringend benötigt.
Die im Haushalt vorgesehenen Mittel für eine Ersatzbeschaffung des Fend 207 sind notwendig, um den Winterdienst, die Pflege des Sportplatzes oder das Mulchen von Ausgleichsflächen zu gewährleisten.
In das Erdreich des Bauhofgeländes wurde ein Wassertank mit 52 Kubikmeter Fassungsvermögen vergraben. Hier soll das Niederschlagswasser von den Werkstattdächern gesammelt werden, um es bei Bedarf an Stelle von Trinkwasser zur Bewässerung gemeindeeigener Flächen und Pflanzbeete zu nutzen. Lohnenswert wäre es, nach weiteren Flächen im Gemeindebesitz zu suchen, die eine solche Lösung zum Sparen von Trinkwasser auch ermöglichen würden.
Die Gemeinde muss sich in den nächsten Jahren zum Ziel setzen, in ihren Liegenschaften die Energie der Sonne vermehrt zu nutzen. Bei Bedarf müssen diese Gebäude nach einer positiven Kosten-Nutzen-Analyse auch dafür instandgesetzt werden. Das nutzt nicht nur dem Klima, sondern auch den kommunalen Finanzen. Die Möglichkeiten zur Ersetzung der Heizungsanlagen durch Wärmepumpen muss überall untersucht und bei positivem Befund so schnell wie möglich umgesetzt werden.
Nachdem sich seit der letzten Landtagswahl die Grünen sehr intensiv um die CDU kümmern, wächst bei diesen die Bereitschaft, ihre Verhinderungsvorschriften für Windenergieanlagen zu lockern. Auf den riesigen durch den Borkenkäferbefall verursachten Kahlflächen könnten bestimmt Windkraftwerke errichtet werden, die keine negativen Auswirkungen auf die Anwohner in der Nachbarschaft haben. Finanzielle Beteiligungen oder vergünstigte Strompreise erhöhen die Akzeptanz in der Bürgerschaft. Weiter muss alles daran gesetzt werden, in naher Zukunft die gesamte Straßenbeleuchtung auf LED – Technik umzurüsten.
Unseren Klimaschutzmanager bitten wir, das Thema Balkonkraftwerke in seine Vortragsreihe „Herscheider Klimadialog“ aufzunehmen. Mit diesen vergleichsweise preiswerten Solaranlagen können auch Mieter etwas zur Verringerung ihrer Stromkosten tun. Bei den großen Bereichen Dämmung, Photovoltaik oder Wärmepumpen sind sie in der Regel auf Initiativen des Vermieters angewiesen.
Auch die Weiterentwicklung des Radwegenetzes hilft dem Klimaschutz, aber auch der Gesundheit des einzelnen. Wenn der Radfahrer sich gefahrlos von A nach B bewegen kann, wird er dies in seiner Freizeit und vielleicht auch auf seinem Arbeitsweg öfter machen. Und das E-Bike macht das Radfahren für immer mehr Menschen interessanter. Daher begrüßen wir, dass der Märkische Kreis ein alltagstaugliches Radverkehrskonzept erstellen will. Es soll die kreisangehörigen Kommunen untereinander sowie mit den Nachbarkommunen verbinden. Die Weiterführung des Bürgerradweges Richtung Grünenthal zeigt allerdings, wie zeitaufwändig und kostenintensiv Radwegebau sein kann.
Um unser schönes Freibad im Grünen beneiden uns viele Kommunen. Und ja – die Unterhaltung ist kostenintensiv und belastet den gemeindlichen Haushalt ungemein. Aber was wäre Herscheid ohne dieses Freibad? Daher können wir froh sein, dass die letzten Sanierungsarbeiten mit 90 % Förderung vom Bund unterstützt wurden. Wir hoffen, dass diese mit dem Umbau des Betriebsgebäudes und des Eingangsbereiches sowie der Neugestaltung des Parkplatzes in diesem Jahr komplett abgeschlossen werden. Die Solarabsorber-Anlage für die Dächer des Sanitärtraktes und des benachbarten DLRG Heimes werden im Frühjahr, die Photovoltaikanlage auf dem Betriebsgebäude im Herbst erwartet. Beides wird helfen die Energiekosten zu reduzieren. Da die Eintrittspreise in diesem Jahr stabil bleiben, halten wir es für akzeptabel, das warme Duschen mit 50 ct zu bepreisen und auf vier Minuten zu begrenzen. Der damit verbundene sparsamere Umgang mit der Ressource Trinkwasser ist auch aus Gründen des Umweltschutzes ratsam.
Unter großer Beteiligung der Hüinghauser Bürgerschaft wurden 15 Projekte erarbeitet, die im Rahmen des Dorfentwicklungskonzeptes umgesetzt werden könnten. Eine Auswahl und Verabredungen zur Weiterarbeit werden in den nächsten Wochen erfolgen. Das ein oder andere Projekt kann bestimmt aus der erfolgreichen Leader – Bewerbung finanziert werden.
Die Planung eines weiteren Neubaugebietes in Hüinghausen muss intensiviert werden, um Bauwilligen auch weiterhin attraktive Baugrundstücke anbieten zu können.
Zurzeit suchen neben den Ukrainern wieder viele Flüchtlinge besonders aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und dem Irak Schutz bei uns in Deutschland. Deren Unterbringung wird alle Kommunen vor große logistische und finanzielle Herausforderungen stellen. Leider gab es auf dem Flüchtlingsgipfel vorletzte Woche in Berlin keine konkreten Ergebnisse für eine verlässliche Finanzierung und eine Begrenzung der irregulären Migration, sondern nur eine Vertagung auf Ostern.
Während auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2015/2016 bis zu 80.000 Aufnahmeplätze in Landeseinrichtungen geschaffen wurden, gibt es bislang davon nur etwa 30.000. Die Kommunen brauchen aber dringend Unterstützung von Land und Bund, um ihren Aufgaben in der Flüchtlingshilfe gerecht zu werden. Gegenseitige Schuldzuweisungen mancher Landesfürsten helfen hier niemandem weiter, sondern nur eine solidarische Kraftanstrengung von Bund, Land und Kommunen.
Die SPD – Fraktion hat sich auf ihrer Klausurtagung ausführlich mit dem Haushalt beschäftigt. Er ist zum einen – wenn auch nur formell – ausgeglichen, eröffnet aber auch Handlungsspielräume, die zu einer attraktiven Weiterentwicklung unserer Gemeinde beitragen können. Daher werden wir ihm mit all seinen Anlagen zustimmen.
Wir bedanken uns ausdrücklich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich hauptberuflich oder ehrenamtlich für unsere Gemeinde einsetzen. Mit ihrem Engagement in Vereinen, Verbänden, Institutionen, Kirchen, Feuerwehr, DRK oder auch in aller Stille haben sie unsere Gemeinde lebens- und liebenswerter gemacht.